Vor 440 Jahren

 

In einem Gerichtsprotokoll wird 1576 eine Windmühle für Kühnitzsch erwähnt. 1588 finden wir einen nächsten Eintrag im Verzeichnis der Windmühlen. Im Kartenwerk des ersten sächsischen Landesvermessers Georg Christian von Oeder (1728 - 1791) ist eine Windmühle „uff m Steinbruch Berg“ eingezeichnet. Zu 1616 lesen wir im Kirchenbuch die Zeile „den 11. Januarii ist Benedix Nysio, Windmüller allhier, eine junge Tochter mit Namens Maria getauft worden [...]“ und haben somit den ersten Hinweis auf einen Müller. 1620 wird er nochmals bei der Taufe seines Sohnes Balthasar mit dem Namen Benedictus Dionysius genannt.

VERWÜSTUNG IN DER MÜHLE

1637 berichtet der Rittergutsverwalter Paul Schöffler, dass es in der Windmühle in Kühnitzsch und in der Wassermühle in Hohburg zu einer großen Verwüstung gekommen ist. Die Flügeltüren sind verbrannt, die Seile abgenommen. Bis zu Michaelis, dem 29. September 1638 steht sie leer, dann wird wieder ein Müller angenommen.
Georg Preyll pachtet die Windmühle 1657 von Hans Georg von Plötz, dem Besitzer des Rittergutes. Von 1662 bis 1715 sind die folgenden Pächter in der Chronik aufgeführt: Hans Hindel, Martin Sommer, Christian Laue, Samuel Dietrich. Im Jahre 1672 gibt es im Kirchenbuch dann den ersten Hinweis auf eine Mühle.

UNFALL

Am 25. Februar 1710 ereignet sich in der Mühle ein tragischer Unfall. Der 41-jährige Körlitzer Bauer Jacob Delling kommt ums Leben, als er beim Kornmahlen vom Kammrade ergriffen und zerquetscht wird. Seine Beerdigung erfolgt am 03. März in Körlitz.

LUGENHEIMS - NEUE BESITZER

Michael Lugenheim ist ab 1721 Besitzer der Mühle. Er und sein Sohn werden 1733 außerdem vom Wurzener Stiftsrat Joachim Siegmund von Plötz von Hans Haubold von Lüttichau beauftragt, eine Mühle auf dem Rittergutsgelände im Nachbarort Zschorna zu bauen, da der Vater bereits die Kühnitzscher betreibt und dessen Untertan ist.
Laut dem Alphabetische[n] Verzeichnis aller in dem Churfürstenthum Sachsen und in denen dazu gehörigen incorporirten Landen befindlichen Schrift- und Amtsäßigen [...] von 1791 wissen wir, dass die Mühle zu dieser Zeit einen Mahlgang besitzt.

 

 

Über die heutige Mühle

 

Erst 1812 wird unsere jetzige Mühle erbaut. Die im Bockgestell der Mühle eingestämmte Jahreszahl MDCCCXII bestätigt dies. Johann Gottlob Lugenheim kauft die neue Mühle im darauffolgenden Jahr von Johann Gottlob Heyde für den Preis von 442 Thalern, 23 Groschen und 8 Pfennigen. Es könnte also sein, dass dieser nach Michael Lugenheim der Müller der Mühle war, zumindest war sie in Heyde's Besitz. Es wird geschildert, dass die Mühle zwei Mahlgänge besitzt. Zur Mühle gehören: ein Wohnhaus, ein Auszugshaus und Scheune, außerdem vier Acker, 20 Ruten Feld in der Kühnitzscher Flur, ein Acker, 216 Ruten Feld in der Falkenhainer Flur, ein Acker, 17 Ruten Feld in der Trebelshainer Flur.
Am 5. Dezember 1823 stirbt die Müllersfrau Johanna Sophie Lugenheim (geb. Sliex). Da nun auch am 08. April 1845 der Müller Johann Gottlob Lugenheim verstirbt, wird die Mühle am 20. Juni 1845 versteigert. Ergebnis sind 366,25 Thaler für das Land und 952,75 Thaler für Mühle und Gebäude.

FAMILIE HIRSCH

Johann Gottlieb Hirsch kauft die Mühle am 25. Oktober 1868 für 790 Thaler. Dieser erste Müller der Familie Hirsch stammt aus Belgern im Kreis Torgau. Nach seinem Tod heiratet seine Witwe den Müller Karl Löwe aus Bockwitz, Kreis Torgau. Bezeichnend ist, dass die Mühle in all den Jahren „in der Familie“ blieb und nie Fremde in ihren Besitz gelangten. Am 19. Juni 1878 schlägt ein kalter Blitz in die Mühle ein.

 

Mahlpreise 1891

160 Pfund Roggen ergeben 115 Pfund Mehl + 47 Pfund Kleie.
Das Mahlgeld dafür beträgt 25 Pfennige.
100 Pfund schroten lassen kosteten 55 Pfennige.

Der Müller Karl Löwe verstirbt 1893. So ist Franz-Richard Hirsch (geb. 14. Juni 1868) der nächste, der 1898 für 8400 Mark die Mühle sowie den dazugehörigen, fünf Hektar großen Acker übernimmt. Er ist der Sohn der Witwe Hirsch aus erster Ehe. Er bewirtschaftet die Mühle, wie seine Vorfahren bis zu seinem Tode im Jahre 1904.
Im selben Jahr tritt Bernhard Hugo Hirsch (geb. 1875) die Nachfolge seines Vaters an. In nächster Generation übernimmt schließlich der Müllermeister Alfred Hirsch ab 1936 die Mühle mit samt dem Mühlenacker. Der Acker diente stets zur Ernährung der Müllerfamilien, denn von der Müllerei allein hätten sie diese nicht unterhalten können. Die Arbeitsaufträge erhielten die Müller von den Kühnitzscher Bauern. Aber auch aus anderen Dörfern kamen die Leute, um die Dienste des Müllers in Anspruch zu nehmen.

In Betrieb, 1935

 

 

Bockwindmühle 1932/ 1933, Foto: SLUB Dresden, Deutsche Fotothek, Günter Rapp
An der Mühle außen ist hier noch das Antriebsrad zu sehen, mit dem über einen Flachriemen eine Dreschmaschine betrieben wurde.

 

 

DER FORTSCHRITT HÄLT EINZUG

Sofort investiert Alfred Hirsch in einen Zweitakt-Dieselmotor, um einen Mahlgang anzutreiben. Gewissermaßen handelt es sich um einen ventillosen 5000 ccm wassergekühlten, 12 PS starken Glühkopfmotor der Reihe R12 aus dem Hause HATZ, mit 450 U/min, Baujahr 1926. Das Schroten konnte jetzt windunabhängig vonstattengehen. Vorher ist der Motor in der Ziegelei von Karl Günder in Lohr am Main (Weisenau) aufgestellt, um dort eine Backsteinmaschine anzutreiben.
Aus einer Skizze für das Finanzamt entnehmen wir, dass 1948 ein Walzenstuhl zur Mehlproduktion angeschafft wurde, der jedoch 1961 an einen unbekannten Besitzer verkauft und nicht mehr wiedergefunden wird. Um weiterhin mit der Konkurrenz Schritt halten zu können, wird der HATZ Motor in der Mühle im Jahr 1956 schließlich gegen einen Elektromotor ersetzt.

ZWEITER WELTKRIEG & KRIEGSGEFANGENSCHAFT

Während Alfred Hirsch seinen Wehrdienst leistet, pachtete der sudetendeutsche Umsiedler Schönberner von 1945 bis zu seinem Tode im darauffolgenden Jahr die Mühle. Er wurde dort durch Schüsse tödlich verletzt.
1948 pachtet Werner Zahn aus Dornreichenbach die Mühle. Nachdem Alfred Hirsch '49 aus der Kriegsgefangenschaft entlassen wurde, betreibt er einen Walzenstuhl auf dem ersten Boden der Mühle, um Mehl zu mahlen.

 

 

Alfred Hirsch (1907 - 1981) als Soldat im August 1940, Foto: Gerhard Weber

 

Fakten zum neuen Antrieb

 

 

Original HATZ Motor. Als Treibstoff dieses Glühkopfmotors wird Schwer- und Rohöl verwendet. Es wird direkt durch eine Düse in den Zylinder eingepumpt, während dieser sich gegen den glühenden Zylinderkopf bewegt. So erfolgt die Zündung, die Verbrennungsgase entstehen lässt und durch ihre Ausdehnung Arbeit leisten.
Vorteile sind eine einfache Bauweise, lange Lebensdauer, ein zu damaligen Verhältnissen geringer Brennstoffverbrauch, einfachster Betrieb ohne Wartung und Rechts-/ Linkslauf ohne Umsteuerung. Ein Nachteil ist das zum Anlassen erforderliche Vorwärmen, das bei diesem Modell von Hand passiert. Es erfolgt mit Lötlampe oder Zündpatrone, für deren Einsatz es außerdem Bestimmungen gibt. Es kann passieren, dass beim Anspringen der Drehsinn nicht stimmt. Ein weiteres Augenmerk gilt der Temperaturreglung. Bei hoher Drehzahl muss beim Glühkopf auf Überhitzung geachtet werden und umgekehrt im Langsamlauf, dass er nicht zu kalt wird.

(Quelle: HATZ Datenblatt Type R; Brix Adolf "Bootsbau: Praktischer Schiffbau" 1929)

 

 

 

Mühlenaquarelle

 

Diese beiden Bilder wurden in der Nachkriegszeit 1946 von A. Brusch gemalt.
Als Lohn hat er sich ein Brot verdient.

 

 

 

Naturgewalten

 

Bockwindmühle und Gehöft im Mai 1975, Foto: SLUB Dresden, Deutsche Fotothek, Günter Rapp

 

Im August 1963 trifft die Mühle erneut ein Blitz, zum Glück ein kalter Einschlag, der nicht zündet.
Bis 1974 bleibt die Mühle in Betrieb, wobei zuletzt nur noch geschrotet wird. In diesem Jahr wütet ein gewaltiger Sturm über Kühnitzsch, der die „Presse“ der Bockwindmühle, also die Bremse löste. Alle 80 weißbuchenen Kämme des großen Kammrades brechen nach und nach. Das Antriebsrad des großen Mahlganges wird stark beschädigt.

 

 

Aus dem Album der Müllersfamilie

 

Alfred Hirsch, 1978

 

Müllerin Selma Hirsch (geb. Gründel, 2. Ehefrau von Hugo Hirsch), um 1958

 

Fortschritt ZT 300 mit 4-scharigem Wendepflug, um 1970

 

 

Die Rettung

 

Vier Jahre Stillstand folgen, bevor die Mühle dem Rat der Gemeinde Kühnitzsch als technisches Denkmal zur Erhaltung übergeben wird. Der Zustand der Mühle ist sichtlich marode. Im Rahmen des Nationalen Aufbauwerkes (NAW) werden 1979 von Kühnitzscher Bürgern in Feierabendtätigkeit umfassende Reparaturarbeiten durchgeführt, zu denen auch ein neues Wellaluminium Dach gehört. So retten engagierte Kühnitzscher unsere Mühle, die sonst dem Verfall preisgegeben worden wäre.

Einigen aktiven Mitarbeitern des Kulturbundes der Fachgruppe Numismatik unter Leitung von Fritz Winkler gelingt es, das Interesse des Kulturbundes der DDR für sich zu gewinnen, um gemeinsam mit ihm die Restauration stämmen zu können. In hunderten freiwilligen Arbeitsstunden schafften sie das, was Außenstehende nie für möglich gehalten hätten: Sie
brachten die Mühle wieder in einen vorzeigbaren Zustand. Sie ersetzen das Antriebsrad des Mahlganges und reparieren die vier Ruten.

Reparaturarbeiten: Stephan Fischer und Karl Helbig, 1979

 

 

Das wichtigste fehlt noch

 

Reparierte Mühle ohne Ruten im Mai 1986, Foto: Deutsche Fotothek

 

 

Wieder zum Leben erweckt

 

Günter Hübner, September 2009

 

 

Im Juni ‘92 folgen neue Segelruten. Anders als bei den Vorgängern mit Jalousienklappen, werden diese mit Segeln bezogen, um dem Wind eine Angriffsfläche zu erzeugen. In einer ABM-Tätigkeit über den Heimat- und Schulverein, die 2001 beginnt, überholt Günter Hübner einen Großteil der Mühle. Dafür bringt er mit seinem technischen Know-how die Ruten und mit ihnen Hauptwelle und Kammrad nach fast 40 Jahren wieder zum Drehen - zum Tag des offenen Denkmals am 09. September 2001 ein Erlebnis für alle Besucher!

KANADISCHE HOLZSCHINDELN

1994 übernimmt der neugegründete Heimat- und Schulverein Kühnitzsch/ Körlitz e. V. die Pflege und Betreuung der Bockwindmühle. Die erste große Maßnahme beginnt 1998 mit der Eindeckung des Mühlendaches mit kanadischen Holzschindeln aus Rotzeder. Die Kosten belaufen sich auf 27.650,86 DM.

Ab 2007 dreht sich auch unser Mühlenhaus wieder wie in vergangener Zeit. Durch den langen Stillstand des alten HATZ-Motors und dem zurückgelassenen Kühlwasser im Inneren, ist dieser seit 1956 außer Gefecht gesetzt und muss ebenfalls in mühevoller Kleinarbeit wiederhergestellt werden. Nach langer Stille ums Mühlenhaus erklingt 2009 endlich wieder der kräftige Motorensound des Einzylinders und wird im November feierlich eingeweiht.

Auch an Treppenpodest und Außentreppe nagt der Zahn der Zeit. Um allen einen sicheren Aufstieg zum Mühlenhaus zu gewähren, wird 2010 eine neue Außentreppe montiert. Der Austausch des alten Außenelevators (Gurtbecherwerk) folgt in Kürze. Die morschen und allen Wettern ausgesetzten Ruten werden im Oktober 2011 gegen neue aus Lärchenholz eingetauscht.

 

 

Neue Ruten

 

 

Was zunächst im stillen Kämmerlein am Schreibtisch als technische Zeichnung entsteht, wird in Gemeinschaftsarbeit mit dem Sägewerk Schauer, der Zimmerei Steuber, dem Metall- und Anlagenbau Kühren und mit Dach- u. Baudienstleistungen Karsten Kaltofen realisiert. Die Kosten für die Lärchenholzruten belaufen sich auf 25.994,60 €. Dank zahlreicher Sponsoren kann der Verein das Projekt stemmen. Zusätzlich wird mit dem Raumausstatter Lehmann aus Meltewitz an der Segeltuchbespannung getüftelt.

2012 wechselt Günter Hübner neun Fenster der Mühle aus, die von Karl und Peter Helbig aus Kühnitzsch hergestellt und gesponsert werden.

 

200 Jahre allen Wettern getrotzt

 

Foto: Manuela Sopart

 

Zum 200-jährigen Jubiläum der Bockwindmühle wählt die Deutsche Gesellschaft für Mühlenkunde und Mühlenerhaltung (DGM) Kühnitzsch für die Eröffnungsveranstaltung des Deutschen Mühlentages.

Zu diesem Zeitpunkt ist bereits das gesamte technische Innenleben einschließlich der Transmission wieder im Gange. Einzig die Haferquetsche auf dem zweiten Mahlboden ist aus Platzmangel und Sicherheitsgründen nicht mit in die Transmission eingebunden.

 

Wir sagen: Glück zu

 

Mühle während des Sonnenuntergangs im Oktober 2020, Foto: Robin Keymer

 

 

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